A Collection
of Place and Time
KontaktBeispieleBeobachtungen & InspirationenJournalismusInternetWerbetextTextserviceHome
mehrSao PauloCamaioreWiesbadenKishTeheranHrubieszow

Sao Paulo - Vom seltsamen Kampf in den Kapillaren einer Kapitale

Nie war es so einfach und anstrengend zugleich in der richtigen Spur zu bleiben. Der Strom der eilenden Menschenmasse treibt immer weiter voran. Vorbei an lebenden Litfaßsäulen, die ihre plakativen Werbebotschaften auch verbal jedem, der an Tempo zu verlieren droht und die Kunst des beiläufigen Wegsehens nicht bis zur Gänze beherrscht, beängstigend nahe bringen. Die wenigen Punkte allerdings, die als Ankerplätze eine Verschnaufpause für touristisches Innehalten versprechen, haben es in sich. Stehen zu bleiben und sich damit als Tourist zu outen, gar nach dem richtigen Abstand und Winkel für ein möglichst unauffällig geschossenes Bild mit der Hosentaschenkamera zu suchen, hat stets etwas Verwegenes, so wie das Ausspionieren feindlicher Stellungen tief hinter der Grenzlinie.

Da ist nicht nur das überschaubare Risiko, entdeckt zu werden und dabei erstaunte und fast mitleidige Blicke auf sich zu ziehen. Da ist auch das mulmige Gefühl, wenig verheißungsvolle Gestalten, die am Rande sitzend längst dauerhaft dem Menschenstrom entsagt haben, langsam in die
eigene Richtung bewegen zu sehen. Wie auf dem wunderschönen und großzügigen Platz vor der Kathedrale an der Praca de Sé. Da wo die prachtvolle koloniale Vergangenheit Sao Paulos das Elend von heute flankiert und das Ausspähen möglicher Opfer ein besonders geübtes ist. Wo der Kirchenraum tatsächlich wie eine Verheißung göttlichen Schutzes vor den Anfeindungen aufdringlicher Not darstellt und als Ort der Wahrheit gleichzeitig den erbärmlichen Zynismus dieser Gedanken bloßstellt.
Keine Insel ist von Dauer. Auch nicht der ständige Kampf um Orientierung im Zentrum der größten Stadt der Südhalbkugel. So ist sie dann auf einmal weg, die endlose Fußgängerzone, einzig identifizierbare Fluchtlinie zu den wenigen Möglichkeiten des öffentlichen Abtransports. Und das Gefühl hinter den feindlichen Linien herumzuschleichen auch. Endlich ist es geschafft: eines von nahezu unendlich vielen, gleich aussehenden und gleich dreinblickenden Sandkörnern dieser Stadt zu sein.
Does time only matter for those, who don't care? mehr